(Umsatzsteuerrecht)
Sachverhalt
Ein Versicherungsvertreter entwickelt, vermarktet und vermittelt Versicherungsprodukte. Im Rahmen seiner Tätigkeiten schloss er Verträge mit verschiedenen Versicherungsanbietern.
Der Versicherungsvertreter verpflichtete sich zur Erbringung von drei Arten von Dienstleistungen. Zuerst stellte er der jeweiligen Versicherungsgesellschaft ein Lizenz über ein Versicherungsprodukt zur Verfügung. Zweitens vermittelte er diesen Versicherer Versicherungsverträge. Diese Verträge wurden zwischen dem Versicherer und den Versicherungsnehmern geschlossen. Schließlich übernahm der Versicherungsvertreter auch die Verwaltung dieser Verträge und die Schadensregulierung.
Hierfür erhielt er eine Vergütung in Form einer Courtage.
Fraglich war, ob diese Leistungen eine einheitliche Leistung darstellen und gemeinsam unter die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 11 UStG fallen und damit umsatzsteuerfrei abgerechnet werden dürfen.
Rechtliche Würdigung
Nach der Rechtsprechung des EuGH ist bei einem Umsatz, der verschiedene Einzelleistungen und Handlungen umfasst, eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, um zu bestimmen, ob dieser Umsatz für Zwecke der Mehrwertsteuer zwei oder mehr getrennte Leistungen oder eine einheitliche Leistung umfasst.
Jeder Umsatz ist zwar im Hinblick auf die Mehrwertsteuer in der Regel als eigenständige und selbständige Leistung zu betrachten; ein Umsatz, der eine wirtschaftlich einheitliche Leistung darstellt, darf aber im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden.
Deshalb liegt eine einheitliche Leistung dann vor, wenn zwei oder mehr Einzelleistungen oder Handlungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre.
Der EuGH bezweifelte im vorliegenden Fall das vorliegen einer einheitlichen Leistung. Eine einheitliche Leistung läge dann vor, „wenn ein Teil oder mehrere Teile als Hauptleistung anzusehen sind, während andere Teile als eine oder mehrere Nebenleistungen einzustufen sind, die steuerlich ebenso zu behandeln sind wie die Hauptleistung. Insbesondere ist eine Leistung als Nebenleistung einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kunden keinen eigenen Zweck darstellt, sondern das Mittel, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen„.
Nach Auffassung des EuGH kann dies nicht zweifelsohne bejaht werden. Er weisst allerdings darauf hin, dass die Beantwortung dieser Frage Aufgabe des nationalen Gerichts sei. Sollte das nationale Gericht eine einheitliche Leistung annehmen, so käme in diesem Falle eine Umsatzsteuerbefreiung nicht in Betracht. Denn bei einer einheitlichen Leistung wäre die Lizenzgewährung als die Hauptleistung anzusehen. Die Lizenzgewährung kann aber nicht als steuerfreie Leistung im Sinne von Art. 135 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 eingestuft werden.
Folgen
Für Unternehmer, die regelmäßig Leistungspakete anbieten, bedeutet diese Entscheidung in erster Linie eine erhöhte Sorgfaltspflicht für die Zukunft, wenn sie ihre Leistungen insgesamt als steuerfrei abrechnen. Denn in erster Linie sind die Leistungen dahingehend zu prüfen, ob sie eine einheitliche Leistung darstellen. Im nächsten Schritt ist dann die Anwendbarkeit einer Befreiungsvorschrift zu prüfen.
Sprechen Sie mich gerne an, wenn Sie Fragen hierzu haben.
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